Vor einem Jahr räumte Elisabeth Dimitriadou Bettgestelle, Waschbecken und Kühlschränke aus ihrer Wohnung auf einen großen Müllberg.
Das Wasser stand bis zur vierten Treppenstufe.
Noch Tage später gab es keinen Strom. „Wenn der Strom fehlt, dann grillen wir“, hatte sie damals in kämpferischem Ton gesagt. Foto: Ingo Kalischek
Auf diesem Foto steht Sotira Tsirakidou 2022 vor ihrem Haus in Hagen-Hohenlimburg.
An derselben Stelle hatte ihre Tante Elisabeth Dimitriadou vor einem Jahr vor einem großen Müllberg gegrillt, da es noch keinen Strom gab.
In Hagen hat Ministerpräsident Hendrik Wüst am 12. Juli 2022 die Rettungsmedaille des Landes an Dustin Raatz verliehen. Der ehemalige Soldat hatte ein schwerkrankes Mädchen aus dem von Wasser eingeschlossenen Ortsteil Hagen-Priorei gerettet. Menschen wie Raatz seien „Vorbild für uns alle“, sagte Wüst.
In Hagen hat sich im Straßenbild inzwischen viel getan. An einigen Stellen erinnert nicht mehr viel an das verheerende Hochwasser. Der Fluss Volme war vor einem Jahr über die Ufer getreten und hatte unter anderem das Rathaus erwischt, das sich direkt daneben befindet. Heute ist das Wasser an vielen Stellen bloß knöcheltief.
Die Volme in Hagen ist heute an vielen Stellen nur knöcheltief.
Das war 2021 ganz anders.
Bei einem gemeinsamen Besuch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Flutgebiet wird Laschet fotografiert, als er lacht, während Steinmeier den Angehörigen der Todesopfer sein Beileid ausspricht.
Das Image des "Lachers" inmitten einer verheerenden Flutkatastrophe wird Laschet fortan nicht mehr los. Beobachter sind sich sicher, dass dieser Moment den Ausgang der Bundestagswahl entscheidend beeinflusst hat.
Heute sitzt Laschet nicht im Kanzleramt, sondern als einfacher Abgeordneter im Bundestag.
Den Unmut der Bevölkerung hatte Laschet zu dieser Zeit auch im Ort Heimerzheim im Rhein-Sieg-Kreis abbekommen.
Einige Bürger fühlten sich kurz nach der Katastrophe allein und von der Politik im Stich gelassen.
In Heimerzheim wurden viele Gebäude zerstört, zwei Menschen verloren ihr Leben. Mittlerweile kehre aber langsam Normalität zurück, schildern Betroffene.
Geschäfte wie Optiker, Bäcker und eine Apotheke öffneten wieder an alter Stelle.
Andere Läden wiederum würden nicht mehr aufmachen, berichtet Apothekerin Franziska Weigel, die in dem Ort wohnt.
Die Landespolitik habe „gerade rechtzeitig“ die Kurve bekommen, erklärt er. Anfangs habe es im Ort viele Beschwerden gegeben, da die Antragsstellung für Sofort- und Wiederaufbauhilfen zu bürokratisch und kompliziert gewesen sei. „Gut, dass da nachgebessert wurde.“ Von Gewerbetreibenden höre er aber weiter viel Kritik.
Ein gemischtes Fazit zieht auch Alexander Sauk. Der Familienvater aus Heimerzheim ist in mehrfacher Hinsicht von den Flutfolgen betroffen. Sein Sohn wird seit fast einem Jahr in einem Container unterrichtet, da die Grundschule unter Wasser stand. Bis heute sei sie nur entkernt worden. An eine Rückkehr sei noch nicht zu denken.
Sauks Tochter wird ebenfalls seit Monaten in einem Container betreut, der als Ausweichort für den Kindergarten dient. „Diese Übergangslösungen sind gut, die Kinder fühlen sich wohl“, sagt Sauk. Kritisch sieht er aber das langsame Arbeiten der Behörden.
„Die machen wahrscheinlich nichts falsch, es dauert aber oft viel zu lang.“ Immerhin: Die Arbeiten in Heimerzheim seien „um Meilen weiter“ als im benachbarten Ahrtal.
Das sieht Maik Menke ähnlich. Der Fluthelfer aus Paderborn hat sich sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in NRW eingebracht. Er sagt: "Die Wiederaufbauhilfe läuft in NRW wesentlich besser als in Rheinland-Pfalz."
Im stark betroffenen Erftstadt zwischen Bonn und Köln hat Menke mit weiteren Helfern ein Baustoffzelt aufgebaut, wo Betroffene Baumaterial erhalten. Die Spendenbereitschaft für diese Angebote habe mittlerweile „massiv“ abgenommen, sagt Menke.
Einige Versorgungszelte seien bereits geschlossen. Dabei gäbe es noch immer Menschen, die dort auf Material angewiesen seien, zum Beispiel auf Bautrockner, sagt Menke.
Was hat NRW aus der Krise gelernt?
Innenminister Herbert Reul (CDU) hat angekündigt, die Reformierung des Katastrophenschutzes zu einem Schwerpunkt der Innenpolitik zu machen. Es gäbe viel zu tun.
Ein Bericht im Auftrag des Landes war zu dem Ergebnis gekommen, dass in NRW die Hochwasserprognose unzureichend ist, dass passgenaue Warnungen fehlen und dass es Probleme beim Einsatz von Hilfskräften gibt.
Ein neues Modell zur Hochwasservorhersage soll die Behörden und Menschen im Land künftig früher und besser auf drohende Überflutungen und Hochwasserrisiken vorbereiten, indem es auch für kleinere Flüsse frühzeitig Prognosen für Hochwasserpegel erstellt.
Zudem baut das Land das Sirenennetz wieder aus, um die Menschen zu warnen. 400 Sirenen wurden bislang angeschafft, die Nachfrage sei aber größer als das Angebot. Auf die Politik wartet viel Arbeit.
Begleiten dürfen das nicht mehr alle Politiker. Für die damalige NRW-Umweltministerin Ursuala Heinen-Esser (CDU) endete die politische Karriere im Zuge der Hochwasser-Aufarbeitung.
Heinen-Esser hatte sich im Untersuchungsausschuss mehrfach in Widersprüche verstrickt und nur scheibchenweise Informationen geliefert. Sie war während und nach der Katastrophe in ihrer Zweitwohnung auf Mallorca und unterbrach den Aufenthalt nur kurz.
Als bekannt wurde, dass die Politikerin dort neun Tage nach der Flut auch noch einen Geburtstag feierte – an dem Teile des Landeskabinetts teilnahmen, war die „Mallorca-Affäre“ perfekt und Heinen-Esser trat zurück.
Ähnlich erging es ihrer Amtskollegin Anne Spiegel in Rheinland-Pfalz.