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Ein Jahr nach der Flut: So geht es den Menschen heute
Ein Besuch in den Katastrophengebieten - was hat das Land gelernt?

Ein Jahr nach der Flut: So geht es den Menschen heute

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Am 14. Juli 2021 richten Wassermassen Tod und Zerstörung im Westen Deutschlands an.

"nw.de" ist jetzt erneut in die Hochwasser-Gebiete gereist. Betroffene erzählen, wie sich ihr Leben verändert hat, was gut und was schlecht gelaufen ist. Helfer berichten, welche Spenden weiter gebraucht werden.
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Diese Drohnenaufnahme (ohne Ton) entstand am 14. Juli 2021, bevor das Hochwasser in Kreuzberg (Ahr) den Scheitelpunkt erreicht hat. Video: https://www.youtube.com/@Michael-zi7ve

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Vor einem Jahr räumte Elisabeth Dimitriadou Bettgestelle, Waschbecken und Kühlschränke aus ihrer Wohnung auf einen großen Müllberg.

Das Wasser stand bis zur vierten Treppenstufe.

Noch Tage später gab es keinen Strom. „Wenn der Strom fehlt, dann grillen wir“, hatte sie damals in kämpferischem Ton gesagt. Foto: Ingo Kalischek
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Auf diesem Foto steht Sotira Tsirakidou 2022 vor ihrem Haus in Hagen-Hohenlimburg.

An derselben Stelle hatte ihre Tante Elisabeth Dimitriadou vor einem Jahr vor einem großen Müllberg gegrillt, da es noch keinen Strom gab.
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„Wir kämpfen seit einem Jahr“, sagt Tsirakidou und lächelt. Das Haus sei noch immer eine Baustelle, vor allem der Keller. Es fehle an „guten Handwerkern“, besonders an Elektrikern.

Was gut gelaufen sei? Dass die Soforthilfe des Landes damals schnell eingetroffen sei.

Sprachlos mache sie bis heute das Engagement der freiwilligen Helferinnen und Helfer, sagt Tsirakidou mit leuchtenden Augen. „Wir waren zunächst auf uns allein gestellt, doch plötzlich waren alle da.“ Unbekannte brachten Cola, Kaminholz und fuhren in Schubkarren den Schlamm aus dem Haus. Noch immer kämen Helfer, um nach dem Rechten zu schauen und zu fragen, ob ihre Familie Hilfe brauche.

„Die Solidarität in der Gesellschaft ist zurückgekehrt“, sagt Sotira Tsirakidou, während sie draußen vor dem Haus steht, exakt an der Stelle, wo sich vor einem Jahr der Müllberg türmte.
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In Hagen hat Ministerpräsident Hendrik Wüst am 12. Juli 2022 die Rettungsmedaille des Landes an Dustin Raatz verliehen. Der ehemalige Soldat hatte ein schwerkrankes Mädchen aus dem von Wasser eingeschlossenen Ortsteil Hagen-Priorei gerettet. Menschen wie Raatz seien „Vorbild für uns alle“, sagte Wüst.

In Hagen hat sich im Straßenbild inzwischen viel getan. An einigen Stellen erinnert nicht mehr viel an das verheerende Hochwasser. Der Fluss Volme war vor einem Jahr über die Ufer getreten und hatte unter anderem das Rathaus erwischt, das sich direkt daneben befindet. Heute ist das Wasser an vielen Stellen bloß knöcheltief. 
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Die Volme in Hagen ist heute an vielen Stellen nur knöcheltief.






Das war 2021 ganz anders.
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Der Besuch von Spitzenpolitikern in Hochwassergebieten wird für lange Zeit mit dem Namen Armin Laschet verbunden sein.

Während Laschet am Tag nach der Flut zunächst den Ort Altena und dann das in Teilen schwer betroffene Hagen besuchte, kündigte der damalige Ministerpräsident schnelle Hilfe an.

Zu der Zeit ahnte er noch nicht, was ihn ein paar Tage später ereilen würde.

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Bei einem gemeinsamen Besuch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Flutgebiet wird Laschet fotografiert, als er lacht, während Steinmeier den Angehörigen der Todesopfer sein Beileid ausspricht.

Das Image des "Lachers" inmitten einer verheerenden Flutkatastrophe wird Laschet fortan nicht mehr los. Beobachter sind sich sicher, dass dieser Moment den Ausgang der Bundestagswahl entscheidend beeinflusst hat.

Heute sitzt Laschet nicht im Kanzleramt, sondern als einfacher Abgeordneter im Bundestag.
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Den Unmut der Bevölkerung hatte Laschet zu dieser Zeit auch im Ort Heimerzheim im Rhein-Sieg-Kreis abbekommen.

Einige Bürger fühlten sich kurz nach der Katastrophe allein und von der Politik im Stich gelassen.
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In Heimerzheim wurden viele Gebäude zerstört, zwei Menschen verloren ihr Leben. Mittlerweile kehre aber langsam Normalität zurück, schildern Betroffene.

Geschäfte wie Optiker, Bäcker und eine Apotheke öffneten wieder an alter Stelle.

Andere Läden wiederum würden nicht mehr aufmachen, berichtet Apothekerin Franziska Weigel, die in dem Ort wohnt.
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So sah der 6.000-Einwohner-Ort Heimerzheim vor einem Jahr aus.
So sah der 6.000-Einwohner-Ort Heimerzheim vor einem Jahr aus.
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„Unser Ort wurde gut unterstützt“, sagt auch Tobias Leuning, der sich in der Lokalpolitik engagiert.

Die Landespolitik habe „gerade rechtzeitig“ die Kurve bekommen, erklärt er. Anfangs habe es im Ort viele Beschwerden gegeben, da die Antragsstellung für Sofort- und Wiederaufbauhilfen zu bürokratisch und kompliziert gewesen sei. „Gut, dass da nachgebessert wurde.“ Von Gewerbetreibenden höre er aber weiter viel Kritik.

Ein gemischtes Fazit zieht auch Alexander Sauk. Der Familienvater aus Heimerzheim ist in mehrfacher Hinsicht von den Flutfolgen betroffen. Sein Sohn wird seit fast einem Jahr in einem Container unterrichtet, da die Grundschule unter Wasser stand. Bis heute sei sie nur entkernt worden. An eine Rückkehr sei noch nicht zu denken.

Sauks Tochter wird ebenfalls seit Monaten in einem Container betreut, der als Ausweichort für den Kindergarten dient. „Diese Übergangslösungen sind gut, die Kinder fühlen sich wohl“, sagt Sauk. Kritisch sieht er aber das langsame Arbeiten der Behörden.

„Die machen wahrscheinlich nichts falsch, es dauert aber oft viel zu lang.“ Immerhin: Die Arbeiten in Heimerzheim seien „um Meilen weiter“ als im benachbarten Ahrtal.
So sah der 6.000-Einwohner-Ort Heimerzheim vor einem Jahr aus.
So sah der 6.000-Einwohner-Ort Heimerzheim vor einem Jahr aus.
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Das sieht Maik Menke ähnlich. Der Fluthelfer aus Paderborn hat sich sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in NRW eingebracht. Er sagt: "Die Wiederaufbauhilfe läuft in NRW wesentlich besser als in Rheinland-Pfalz."

Im stark betroffenen Erftstadt zwischen Bonn und Köln hat Menke mit weiteren Helfern ein Baustoffzelt aufgebaut, wo Betroffene Baumaterial erhalten. Die Spendenbereitschaft für diese Angebote habe mittlerweile „massiv“ abgenommen, sagt Menke.

Einige Versorgungszelte seien bereits geschlossen. Dabei gäbe es noch immer Menschen, die dort auf Material angewiesen seien, zum Beispiel auf Bautrockner, sagt Menke.
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Von 12,3 Milliarden Euro, die NRW zur Verfügung stehen, sind für den Wiederaufbau bislang erst 1,6 Milliarden bewilligt worden. Das Geld befindet sich laut NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) "in der Auszahlung". Von den bislang knapp 19.000 gestellten Anträgen von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern seien 94 Prozent geprüft oder bewilligt.

Zuletzt habe die Bearbeitungszeit bei privaten Anträgen im Durchschnitt neun Tage gebraucht. Das bedeutet aber auch: Noch immer haben nicht alle Betroffenen Anträge gestellt und Geld erhalten, nach einem Jahr.

Die Landesregierung verweist darauf, dass sie 196 Betrugsversuche mit einem Volumen von rund acht Millionen Euro abwenden konnte.
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Innenminister Herbert Reul (CDU) hat angekündigt, die Reformierung des Katastrophenschutzes zu einem Schwerpunkt der Innenpolitik zu machen. Es gäbe viel zu tun.

Ein Bericht im Auftrag des Landes war zu dem Ergebnis gekommen, dass in NRW die Hochwasserprognose unzureichend ist, dass passgenaue Warnungen fehlen und dass es Probleme beim Einsatz von Hilfskräften gibt.

Ein neues Modell zur Hochwasservorhersage soll die Behörden und Menschen im Land künftig früher und besser auf drohende Überflutungen und Hochwasserrisiken vorbereiten, indem es auch für kleinere Flüsse frühzeitig Prognosen für Hochwasserpegel erstellt.

Zudem baut das Land das Sirenennetz wieder aus, um die Menschen zu warnen. 400 Sirenen wurden bislang angeschafft, die Nachfrage sei aber größer als das Angebot. Auf die Politik wartet viel Arbeit.
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Begleiten dürfen das nicht mehr alle Politiker. Für die damalige NRW-Umweltministerin Ursuala Heinen-Esser (CDU) endete die politische Karriere im Zuge der Hochwasser-Aufarbeitung.

Heinen-Esser hatte sich im Untersuchungsausschuss mehrfach in Widersprüche verstrickt und nur scheibchenweise Informationen geliefert. Sie war während und nach der Katastrophe in ihrer Zweitwohnung auf Mallorca und unterbrach den Aufenthalt nur kurz.

Als bekannt wurde, dass die Politikerin dort neun Tage nach der Flut auch noch einen Geburtstag feierte – an dem Teile des Landeskabinetts teilnahmen, war die „Mallorca-Affäre“ perfekt und Heinen-Esser trat zurück.

Ähnlich erging es ihrer Amtskollegin Anne Spiegel in Rheinland-Pfalz.
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Der Untersuchungsausschuss im Landtag sollte mögliche Versäumnisse der Behörden aufklären.

Da nur sieben Monate Zeit blieben und noch Fragen offen sind, geht der Ausschuss in die zweite Runde.

Schon jetzt ist klar: NRW ist bislang auf extremes Hochwasser gerade an mittleren und kleinen Flüssen und Gewässern nicht gut vorbereitet.

Die Menschen wurden vor einem Jahr nicht rechtzeitig gewarnt. Der Wiederaufbau wird Jahre dauern.

Zum Jahrestag steckt das Land also noch mitten in der Arbeit.
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